Die Paten: legale Mountainbike-Trails im Rems-Murr-Kreis

Sieben Mountainbiker rollen aus einem Trail im Rems-Murr-Kreis auf einen Schotterweg - direkt vor einen Jäger. Anderswo wäre nun vielleicht ein Streit ausgebrochen mit Sätzen wie "Ihr macht die Wege kaputt und erschreckt das Wild!". Doch stattdessen grüßt der Jäger die Mountainbiker entspannt; einer von ihnen, Lars, fragt seinerseits: "Hallo, sind Sie der Jäger hier? Falls was mit den Trails hier ist, geben Sie mir gerne Bescheid."

Lars ist im Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg zuhause und im Titelbild zu sehen. Er ist offizieller Ansprechpartner für das Forstamt, den Förster, den Jäger, die Biker*innen - und die zwölf Trailpaten. Sie sind diejenigen, die die Trails instandhalten. Sie glätten Bremsrillen und macht Drainagen frei. Der Tipp von Lars für legale Trails ist simpel: miteinander reden.

So kam es zu den legalen Trails im Rems-Murr-Kreis

 

Los ging es mit den legalen Trails im Jahr 2019. Bereits damals gab es einige "wilde" Trails in der Gegend. Dazu muss man die sogenannte "2-Meter-Regel" kennen: In Baden-Württemberg ist grundsätzlich "das Fahrradfahren im Wald auf Wegen unter zwei Meter Breite verboten", erklärt die Deutsche Initiative Mountainbike (DIMB) auf ihrer Webseite. Die Ausnahmen bilden natürlich gekennzeichnete MTB-Wege oder Trails. 

Der Bedarf an legalen Trails und einer deutschlandweit einheitlichen Rechtslage ist auf jeden Fall da. 4,2 Millionen Menschen in Deutschland sind laut Deutschem Alpenverein (DAV) regelmäßig auf dem MTB unterwegs. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum es immer wieder inoffizielle Trails gibt: Biker*innen nutzen bestehende Wege oder bauen selbst welche, in der Hoffnung, dass sie stillschweigend geduldet werden. So war es eben auch im Rems-Murr-Kreis.

Damit sollte 2019 Schluss sein: Eine Interessensgemeinschaft (IG) der DIMB kam auf den DAV zu. Sie suchte lokale Partner, die zusammen mit der DIMB legale Trails schaffen. Lars ergriff die Chance. In den folgenden Monaten und Jahren sprach er sich mit dem Forstamt ab und ging gemeinsam mit der DIMB auf Gemeinderat, Waldbesitzer, Jäger und weitere Interessensgruppen zu.

Außerdem fand er zwölf Trailpaten sowie weitere freiwillige Helfer*innen, die bei Bedarf bauen und pflegen. Zusammen legten sie nach den Richtlinien der DIMB legale Trails mit einer gesamten Länge von drei Kilometern auf - für den Kreis eine Menge.

Wie baut man Trails?


Die Paten gehen beim Trailbauen folgendermaßen vor: Zuerst überlegen sie sich eine Linie. Dabei binden sie natürliche Begebenheiten wie Wellen, Wurzeln und Felsen ein und schauen, ob sie Pfützen vermeiden können, indem sie den Trail über der Senke anlegen. Geht das nicht, oder macht die Linie durch die Senke einfach mehr Spaß, legen die Paten eben eine Drainage an: Die unterste Schicht in der Kuhle bildet feiner Kies, in die Mitte kommen gröbere Steine und schließlich als Abschluss und oberste Schicht leichte Erde.

"So kann das Wasser gut durchsickern", sagt Chris Laue, einer der Trailpaten. Um eine bessere Vorstellung vom künftigen Trail zu bekommen, rechen die Trailpaten danach den Weg und schneiden ihn frei. Dann heißt es: probefahren und gegebenenfalls korrigeren.

Sobald der Trail eingefahren ist, kombinieren sie Naturmaterialien wie Sand, Erde und Steine zu Anliegern, Sprüngen und Drainagen. "Das ist die beste und schonendste Art und Weise", sagt Chris. "Wir schaufeln nicht umsonst - das spart Zeit und schont die Natur."

Ein Mountainbiker springt im Wald.Ein Mountainbiker springt im Wald.
Markus Zieher beim Trailbauen. Foto: Chris Laue

Auch dabei spielt Zusammenarbeit eine große Rolle: Der zuständige Betriebshof der Gemeinde  liefert unter anderem Schotter und Erde in die Hügel. Mit Schubkarren bringen die Trailbauer das Material dann in den Trail. "Mit dem Bagger würde es zwar schneller gehen, aber da macht man ja den ganzen Trail kaputt", erklärt Lars. Zum Abschluss beschildern und kartografieren die Trailpaten die Strecken und geben die Daten ans Forstamt weiter.

Wichtig ist ihnen dabei, dass sie für Biker*innen unterschiedlicher Level und Geschmäcker etwas bieten. Vom Flowtrail zu Kurven und Sprüngen - im Rems-Murr-Kreis soll jede*r Spaß haben.

Ein Trail für Fotos

Ein Beispiel dafür ist der Trail von Markus Zieher und Christoph Laue. Chris ist Sport-Fotograf, Markus MTB-Guide und -Coach. Zusammen arbeiteten sie einen Monat lang an einem Trail. Einem Trail, der sowohl Fortgeschrittenen als auch Profis Spaß macht. Einem Trail, auf dem jede*r lernt und besser wird.

Markus Zieher auf einem legalen Mountainbike Trail im Rems-Murr-Kreis.Markus Zieher auf einem legalen Mountainbike Trail im Rems-Murr-Kreis.
Markus Zieher zeigt, dass es auch schönes Wetter im Rems-Murr-Kreis gibt - und dass die Trails Spaß für Fortgeschrittene und Profis gleichermaßen bieten Foto: Chris Laue

"Wir haben darauf geachtet, viele Features einzubauen", erklärt Chris. "Fortgeschrittene rollen langsam durch und tasten sich an Sprünge und Anlieger heran. "Profis fahren schnell und haben Spaß an den schnellen Wechseln zwischen den verschiedenen Hindernissen wie Kurven und Sprüngen."

Das hat den Nebeneffekt, dass der Trail sich bestens für epische Fotos eignet. Chris hatte als Sportfotograf ein Auge für fotogene Sprünge, Markus perfektionierte mit seinem Fahrkönnen und - wissen Radien.

Sportfotograf Christoph LaueSportfotograf Christoph Laue
Sportfotograf und Trailpate im Rems-Murr-Kreis Chris Laue Foto: René Buchka
MTB-Guide und -Trainer sowie Trailpate im Rems-Murr-Kreis Markus ZieherMTB-Guide und -Trainer sowie Trailpate im Rems-Murr-Kreis Markus Zieher
MTB-Guide und -Trainer sowie Trailpate im Rems-Murr-Kreis Markus Zieher Foto: René Buchka

Mit Trailpaten auf Kontrollfahrt


Drei VAUDE Mitarbeitende haben genug gehört - sie gehen mit Lars, Chris, Markus und Jochen, einem Paten von drei Trails, auf Kontrollfahrt. Der Regen tropft auf die strahlend grünen Blätter und die Helme, der Schotter knirscht unter den Stollenreifen. Rechen, Schaufel und andere Werkzeuge zieht Lars in einem Fahrradanhänger mit.

Lars bringt das Werkzeug mit dem Fahrradanhänger zum TrailLars bringt das Werkzeug mit dem Fahrradanhänger zum Trail
Lars bringt das Werkzeug mit dem Fahrradanhänger zum Trail. Foto: René Buchka

Während des Uphills zeigt er auf einen Trail-Ausgang. "Letztens sind Mountainbiker zu schnell auf den Weg rausgefahren. Da müssen wir Kurven zum Ausbremsen einbauen und den Ausgang länger parallel zum Forstweg verlaufen lassen."

Auch andere Sicherheitsaspekte spielen bei der Trailpflege eine große Rolle. Teilweise sollten die Trails beispielsweise  eindeutig vom Wanderweg abgegrenzt sein; Schilder weisen Wanderer auf abfahrende Mountainbiker*innen hin.

Ein Schild im Rems-Murr-Kreis weist auf den MTB-Trail hin.Ein Schild im Rems-Murr-Kreis weist auf den MTB-Trail hin.
Obacht Wanderer! Hier kommen Mountainbiker*innen von oben. Foto: René Buchka

Naturverträglich auf dem MTB unterwegs

Bei dem Regen drängt sich uns eine Frage auf: Wie steht es um Trail-Etikette oder gar Verbote? Denn wer über nasse Trails fährt, treibt deren Erosion voran; sie werden schneller ausgefahren und Wurzeln treten an die Oberfläche. Das betrifft insbesondere neue Trails. "An jedem Trail-Eingang stehen die Wege-Regeln der DIMB", antwortet Lars. "Wir sperren die Trails nur, wenn es gar nicht anders geht."

Er setzt lieber auf Sensibilisierung: "Wenn ich Kindern und Erwachsenen Fahrtechniktraining gebe, erkläre ich immer, dass man bei Regen nur Trails fahren soll, die das von der Beschaffenheit her aushalten und dass man den Weg breiter macht, wenn man Pfützen umfährt." Außerdem weist er beispielsweise auf Instagram auf die aktuellen Bedingungen hin.

Während des Gesprächs sind wir schon am Trail-Eingang angekommen. Bereits von hier sehen wir Pfützen. Entsprechend langsam rollen wir hinunter. Lars parkt den Anhänger, wir stellen die Räder ab und schaufeln gemeinsam Gräben, sodass das Wasser in den Wald abläuft.

Chris Laue und Markus Zieher besprechen, was es zu tun gibt.Chris Laue und Markus Zieher besprechen, was es zu tun gibt.
Chris Laue und Markus Zieher besprechen, was es zu tun gibt. Foto: René Buchka

Mountainbiker treffen Jäger

Nach der Arbeit das Vergnügen! Die Paten führen uns noch zu einem anderen Trail. Kurve um Kurve schaukelt er uns durch den Wald, ein Fels bietet drei Weg-Alternativen. Markus lässt das Hinterrad in die Luft fliegen und fährt auf dem Vorderrad den Fels hinunter; VAUDE Mitarbeiter Nathanael droppt vom Fels auf den Trail - was für ein Spaß!

Ein legaler Trail im Rems-Murr-Kreis.Ein legaler Trail im Rems-Murr-Kreis.
Zur Belohnung gibt es noch eine Abfahrt. Foto: René Buchka

Schließlich spuckt uns der Trail zurück auf den Schotterweg. Dort steht ein Mann in Gummistiefeln, Jeans und oranger Jacke. Es ist der Jäger, den Lars gleich anspricht. "Wichtig ist, dass die Wildtiere in der Nacht ihre Ruhe haben", sagt der Jäger.

"Ansonsten bin ich froh um die Trails. Ich benutze sie selber, um leise durch den Wald zu kommen." Andernfalls müsse er selbst Pirschpfade anlegen und diese frei von Zweigen, Gras und Laub halten. Lars hat offensichtlich recht: Wer freundlich und unvoreingenommen mit den Menschen redet, findet oft unerwartet Verbündete.

Höre dir zum Thema legale Trails für Mountainbiker auch die VAUDE Podcast-Folge mit Nico Graaff vom Mountainbike Tourismusforum Deutschland an: