MTB-Guide werden: So läuft die DIMB Ausbildung ab

In lächelnde Gesichter sehen, die Leidenschaft fürs Mountainbiken weitergeben, mehr Zeit draußen verbringen und nebenbei mit seinem Hobby Geld verdienen: All diese Gründe haben mich dazu gebracht, mich bei der Ausbildung der DIMB (Deutsche Initiative Mountainbike) anzumelden. Allerdings hatte ich auch Bedenken: Versaut die Arbeit das Hobby? Ist es nicht ätzend, am Wochenende zu arbeiten? Ist es die knapp 1000 Euro Ausbildungskosten wert? Die drei Level-1-Module habe ich nun hinter mir. Für mich persönlich haben sich die Zeit und das Geld auf jeden Fall gelohnt.


Grundsätzlich bildet die DIMB in zwei Richtungen aus: Fahrtechniktrainer*in und MTB-Guide. Die Basisausbildung aber ist für beide gleich. Sie besteht aus den drei Modulen Outdoor-Erste-Hilfe, Guiding & Sorgfalt sowie Fahrsicherheit. Hat man diese drei Lehrgänge abgeschlossen und kann Praxisnachweise von zwei Touren mit jeweils drei Gästen vorweisen, erhält man das Zertifikat DIMB MTB Guiding Level I. Mit dem darf man einfache Fahrtechniken vermitteln wie Grundposition, Aktivierung und Bremsen und ist in der Lage, Touren zu führen, die man bereits kennt. 

Das Konzept der Ausbildung bei der DIMBDas Konzept der Ausbildung bei der DIMB

Warum und wie weit die Teilnehmenden die DIMB Ausbildung durchlaufen, ist ganz unterschiedlich. Das wird mir bei meinem ersten Basismodul, Fahrsicherheit, in Villenbach in Schwaben klar. Manche sind hier, um in ihrem Verein Fahrtechnik-Kurse zu geben, andere wollen in den kommerziellen Bereich, stellt sich bei einer Umfrage von unseren Lehrenden, Kerstin Kögler und Hermann Meyer heraus. 

In der Freizeit und vor Gästen fahren - zwei Welten im Leben von MTB-Guides 

Sie führen uns in die theoretischen Grundzüge der Fahrtechnik ein. Wir lernen zum Beispiel, dass der Körperschwerpunkt über dem Tretlager liegen sollte und der Lenker “möglichst lastarm” bleiben sollte. Erst danach schwingen wir uns auf die Bikes, um das eben Gelernte umzusetzen – mehr oder weniger: Schnell wird klar, dass viele von uns sich bestimmte Bewegungen antrainiert haben. Beim demonstrativen Fahren, sprich dem Fahren vor Gästen, sollten wir aber natürlich absolut sauber fahren und die jeweilige Bewegung deutlich ausführen.

Kerstin Kögler gibt einem Teilnehmer der DIMB Ausbildung FeedbackKerstin Kögler gibt einem Teilnehmer der DIMB Ausbildung Feedback

Oft filmen Kerstin und Hermann die Teilnehmer*innen. Das stellt sich als sehr wirkungsvoll heraus, sagen viele bei der abschließenden Feedback-Runde, und nehmen sich vor, dass beizubehalten öfter selbstständig zu machen. Hermann gibt noch einen Rat: “Habt Spaß am Biken und gebt diesen Spaß an eure Gäste weiter!”  

Bike-Spaß an Gäste weitergeben, das darf übrigens jede*r. Mountainbike-Guide und Fahrtechniktrainer*in sind keine geschützten Begriffe, eine staatliche Prüfung gibt es im Gegensatz beispielsweise zu Berg- und Skiführer*innen nicht. Die Folge: Jede*r kann sich so nennen und Touren und Techniktrainings anbieten. Trotzdem zählte die DIMB allein im Jahr 2022 insgesamt 700 Teilnehmende bei den verschiedenen Kursen - warum? Hinsichtlich der Level-1-Module antwortet Ingmar Hötschel, DIMB Verantwortlicher für Kommunikation und Marketing: “Weil wir ihnen die Grundlagen für das Guiding vermitteln, angefangen von der Tourenführung, psychologischen und rechtlichen Aspekten bis hin zum Notfallmanagement. Auch versicherungs- und haftungsrechtliche Themen werden vermittelt, die im Falle des Falles entscheidend sein können.“  

Erste Hilfe als Teil der DIMB Ausbildung

Was zum Beispiel unter Umständen vor Gericht enden kann, sind Verletzungen und andere medizinische Notfälle. Deshalb geht es für mich zum Modul “Outdoor Erste Hilfe” nach Krün bei Garmisch. Wieder ist es Hermann, der mich und die anderen Teilnehmenden willkommen heißt. Dieses Mal im Namen von Dani Hornsteiner, die als Spezialistin die Outdoor-Erste Hilfe-Kurse bei der DIMB-Ausbildung übernimmt. Wie der Name des Moduls aussagt, sind hier die Erste-Hilfe-Empfehlungen auf die besonderen Umstände ausgerichtet, die der Outdoor-Sport mit sich bringt; zum Beispiel steiles Gelände, lange Wartezeiten auf Rettung und Notsignale. Den Kern des Konzeptes von Dani Hornsteiner bildet ein Algorithmus. Dabei handelt es sich um eine Checkliste, die man in Notfällen auch im Stress abarbeiten kann. 

Der Erste Hilfe Algorithmus von Dani HornsteinerDer Erste Hilfe Algorithmus von Dani Hornsteiner
Der Erste Hilfe Algorithmus von Daniel Hornsteiner Teil 2Der Erste Hilfe Algorithmus von Daniel Hornsteiner Teil 2

Nur kurz sind wir im Lehrsaal, das erste Praxisbeispiel steht an. Hermann schmeißt mir das Erste-Hilfe-Paket zu – ich übernehme also gleich mal die Rolle als Guide. Ich fahre meiner Gruppe voraus in einen Trail ein, als ich unten jemanden neben seinem Fahrrad sitzen sehe. Schnell gehe ich im Kopf durch, was nun zu tun ist. Meine Gruppe lasse ich oben den Trail absperren, stelle mein Fahrrad ab und laufe zu dem “Verletzten”. 

Sein Knöchel tut nach einem Sturz weh, sagt er auf Nachfrage. Ich wähle den Übungsnotruf, schildere die Situation, versuche mir den Algorithmus in Erinnerung zu rufen. War da nicht etwas mit Bodycheck? Als ich den Übungs-Verletzten kurz von Kopf bis Fuß untersuche, fällt mir auf, dass er den einen Arm mit dem anderen umklammert – verdammt, das habe ich dem Notruf nicht gesagt. 

Es sind diese Aha-Erlebnisse, durch die man sich die Lektionen leichter merkt, sagt Hermann im Nachgang. Es sollte nicht das letzte sein; den ganzen Tag und am folgenden Tag, macht es immer wieder “klick”. Alles haben wir sicher nicht abgearbeitet, aber das Wichtigste macht Hermann auch dieses Mal wieder klar: “Ihr werdet als Guides und Fahrtrainer und Fahrtrainerinnen in solche Situationen geraten. Wenn ihr das gut macht, könnt ihr Menschen wirklich helfen.” 

Eine Erste Hilfe Übung für angehende MTB-GuidesEine Erste Hilfe Übung für angehende MTB-Guides

Vorerst bleibe ich von solchen Fällen zum Glück verschont und gehe in die Winterpause. Ein halbes Jahr später ist es so weit: Mein letztes Level-1-Modul steht an. “Guiding & Sorgfalt” ist das, was Kerstin Kögler und Patrick Wiedemann vom Bundeslehrteam mir und 13 anderen Teilnehmenden vier Tage lang näherbringen; vormittags in der Theorie, nachmittags draußen in der Praxis. 

MTB-Guides sollten auch mit Karte navigieren können

Vier Tage lang werden wir immer die gleiche Strecke fahren. Ungefähr 16 km und 600 Höhenmeter wollen jeweils bewältigt werden. Dass es immer die gleiche Strecke ist, liegt an der bereits angesprochenen “Befugnis” von Level-1-Guides: Sie sollten nur Strecken führen, die sie selbst bereits gefahren sind. Warum, zeigt sich gleich am ersten Tag. 

Wir bekommen Kopien von Karten der Umgebung und zeichnen die geplante Strecke ein. Währenddessen besprechen wir, was wir aus der Karte lesen können. Geht es bergauf oder arbeiten wir uns auf einer Höhe am Hang entlang? Wie viele Höhenmeter hat der Abschnitt? Gehen Abzweigungen ab? Die meisten von uns arbeiten seit Jahren in ihrer Freizeit mit einer App und müssen erst wieder reinkommen.

Ein Teilnehmer der DIMB-Ausbildung betrachtet eine KarteEin Teilnehmer der DIMB-Ausbildung betrachtet eine Karte

Noch einmal etwas ganz Anderes ist es, die Karte auf die Realität zu übertragen. Müssten wir uns jetzt noch um die Gäste oder, schlimmer noch, einen Notfall kümmern, wären wir vollkommen überfordert. Denn nur mit Karte zu guiden, kostet viel Aufmerksamkeit. Und schon im bekannten Gelände stoßen wir bei den einfachen Grundzügen des Guidens an unsere Grenzen: Wir üben, gelegentlich den Blick über die Ausrüstung der Gäste schweifen zu lassen; wir üben, bergauf die Schnellen zu einem Treffpunkt vorauszuschicken; wir üben, bei der Trail-Abfahrt die Gruppe zusammenzuhalten, ohne den Fahrfluss zu zerstören. 

Plötzlich wird es ernst bei der DIMB Ausbildung

Kaum haben wir diese Grundlagen ausprobiert, treten wir schon zum intensivsten Teil des Moduls an: dem Notfall-Tag. Ein Kollege, Steffen, übernimmt einen Trail als Guide. Wir fahren einen Schotterweg hinab, einen schmalen steilen Pfad wieder hinauf und lassen uns danach bergab durch die Kehren rollen – was für ein Spaß! Man merkt, dass Steffen uns vor allem Spaß und Flow bieten will.  

Unten angekommen fallen die Mundwinkel immer weiter. Die hintere Hälfte der Gruppe fehlt. Wir warten. Steffen wird unruhig. Immer wieder tastet sein Blick den Trail nach oben ab, auf der Suche nach dem Rest - vergeblich. Steffen trifft eine Entscheidung: Er lässt das Bike liegen und läuft schnell den Trail hinauf. Nach etwa fünf Minuten kommen ihm die anderen Teilnehmenden entgegen. Ein Teilnehmer ist weiter oben auf dem schmalen Pfad bergauf gestürzt und hat sich mehrfach überschlagen – und zwar wirklich und nicht als Teil der Ausbildung, sagt Patrick vom Bundeslehrteam. Mit nur einer Hälfte der Gruppe hat er die Unfallstelle abgesichert und dem Gestürzten geholfen. 

Ein angehender MTB-Guide schaut den Trail hinaufEin angehender MTB-Guide schaut den Trail hinauf

Dem geht es zum Glück gut und kann nach einer kurzen Verschnaufpause weitermachen. Aber uns allen ist klar: Jedem und jeder von uns hätte es genauso wie Steffen passieren können. Als Guide muss man ständig die Waage halten zwischen Sicherheit und Spaß. Zu viele Stopps und man zerstört jeglichen Flow, braucht zu lang für die Tour und verbrennt die Energiereserven der Gruppe; zu wenig Stopps und man riskiert, dass jemand unbemerkt stürzt. 

Der vorerst letzte Tag meiner DIMB Ausbildung 

Am nächsten Tag guide ich zufällig den gleichen Abschnitt. Natürlich muss ich an Steffens Beispiel denken und gehe geistig die Strecke durch. Dann stelle ich mich vor die “Gäste”, erkläre ihnen, was auf sie zukommt, und fahre als Erster in den Trail ein. Ich moderiere, indem ich die Geschwindigkeit verändere, warte an Sammelpunkten und genieße die Abfahrt – der Flow stellt sich ein. Es ist ein anderer, als wenn ich alleine unterwegs bin. 

Hier bei meiner letzten Ausbildungs-Session habe ich das Gefühl, den “Sweet Spot” der Balance zwischen Sicherheit und Fahrspaß gefunden zu haben. Mountainbiken macht einfach Bock. Umso schöner, dass ich diesen Spaß künftig an andere weitergeben darf.