Das Tausend-Sterne-Hotel I – Wildcampen und Biwakieren in Deutschland, Österreich, Schweiz

Was gibt es schöneres als eine Nacht unterm Sternenhimmel? Also einfach Schlafsack und Isomatte schnappen und raus in den Wald? So einfach ist es leider nicht. Anders als in den skandinavischen Ländern gibt es in Deutschland und dem Alpenraum kein sog. „Jedermannrecht“, das einem erlaubt sein Lager aufzuschlagen wo man es gerade möchte. Darf ich also überhaupt nicht draußen schlafen? Ein Ratgeber.

Die Rechtslage

Disclaimer: Wir von VAUDE sind keine Anwälte. Dies hier ist also keine Rechtsberatung. Wir versuchen aber, für euch Licht in den Dschungel der unterschiedlichen Regeln zu bringen und euch einen Leitfaden an die Hand zu geben, wie ihr eigenverantwortlich entscheidet, wo ihr wie draußen schlafen könnt. Alle Angaben ohne Gewähr und vorbehaltlich veränderter Rechtslage.

Lager oder Übernachtung?

Zunächst ist es ein großer Unterschied, ob ich ein Lager aufschlage (Zelt, Tarp, Kote, …) und dort „campe“ oder ob ich nur draußen übernachte.

Die gute Nachricht für die Minimalisten vorweg. Schlägt man kein Lager auf, sind die Regelungen oft weniger streng. Eine Nacht im Biwaksack ohne festes Lager bewegt sich meist im Graubereich des sog. „Betretungsrechts“ und ist zumindest nicht ausdrücklich verboten. Ein Notbiwak, z. B. weil man in den Bergen aufgrund dichten Nebels nicht gefahrlos weiter gehen kann, ist immer erlaubt. Ob man in dieser Notsituation allerdings ein Zelt aufschlagen darf, ist ungeklärt. Man läuft zumindest sehr schnell Gefahr, dass jemand unterstellt, man hätte es von Vornherein auf dieses Lager angelegt, denn wer schleppt schon zufällig ein Zelt mit?

Ein Biwak in felsiger Umgebung. | Bild: Ralf Gantzhorn (†)

 

Beim Zelten ohne Notsituation und im Wald ist es dagegen am einfachsten. Es ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz grundsätzlich verboten. Will man außerhalb des Waldes zelten, wird es schon schwieriger. Österreich und die Schweiz kennen zumindest die Möglichkeit, oberhalb der Baumgrenze im „alpinen Ödland“ dann legal zu campieren, wenn es nicht durch andere Gründe (s. Eigentum & Naturschutz) ausdrücklich verboten ist. In Österreich gibt es allerdings von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Regelungen dafür. In Deutschland ist das Campen in sog. freier Landschaft – also alles außerhalb von Wald und bebautem und bewirtschaftetem Gebiet – ebenfalls von Bundesland zu Bundesland verschieden. Von eingeschränkter Erlaubnis über Nichtregelung bis zum ausdrücklichen Verbot ist alles möglich. Allerdings gilt es noch die Frage zu beantworten, wem das freie Gelände gehört, bevor ich beruhigt mein Zelt aufschlage.

Klarer Fall: alpines Ödland | Bild: Ulf Kühner

 

Privat oder öffentlich?

Hier ist es recht einfach. Auf privatem Grund darf man ohne Zustimmung des Grundbesitzers nicht zelten. Da man allerdings in der freien Landschaft in der Regel nicht erkennen kann, wem der Grund gehört, kommt dieser Eigentumsvorrang einem de-facto Verbot gleich. Beim Biwakieren ist es wieder schwieriger, denn die Grauzone zwischen einem ausgedehnten Nickerchen unter einem Birnbaum auf einer Streuobstwiese und einer Übernachtung ebendort ist zumindest vorhanden.

Den Vorrang des privaten Grundeigentums kann sich der Camper allerdings auch zu Nutze machen. Stimmt der Grundbesitzer einem Lager zu, ist alles in Ordnung. Wer also beim Bauern freundlich fragt, ob er auf seiner Wiese zelten darf und ihm vielleicht einen kleinen Obolus für die Freundlichkeit anbietet, kann dem Verbot schnell ein Schnippchen schlagen und zwar in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Dies könnte genauso die Wiese eines Bauern sei wie ein Naturlagerplatz. | Bild: Alwin Buchmaier

 

Naturschutz

Auch hier ist die Rechtslage einfach. In Nationalparks und Naturschutzgebieten ist die Übernachtung aus guten Gründen untersagt. Der Nutzungsdruck auf Naturflächen in Mitteleuropa kann sehr hoch sein und ein wirkungsvoller Naturschutz kann nur gewährleistet werden, wenn man die menschlichen Eingriffe so gering wie möglich hält. Eine Betretung ist getreu dem Motto „man schützt nur was man kennt“ sinnvoll, viele Zeltübernachtungen mit all ihren negativen Begleiterscheinungen wie Abfall und Kotstellen können aber schnell schaden. Bei Zuwiderhandlung drohen hier besonders in Österreich und der Schweiz empfindliche Strafen bis teilweise über 10.000 EUR.

Ein Notfallbiwak bleibt erlaubt.

Naturschutzgebiete sind in der Regel in Karten und durch Schilder gut gekennzeichnet und kaum zu übersehen.

Ralf Gantzhorn zeltet ganz legal im Nationalpark. Im Perito Moreno in Patagonien ist das erlaubt. | Bild: Ralf Gantzhorn (†)

 

Legale Alternativen

Die Zahl der naturnahen Camping- oder sog. Naturlagerplätze nimmt erfreulicherweise stetig zu. Hierbei handelt es sich um ausgewiesene Flächen, die speziell zu diesem Zweck von privater oder öffentlicher Seite zur Verfügung gestellt werden. Besonders in der Eifel ist in den letzten Jahren Pionierarbeit geleistet worden aber auch in Schleswig-Holstein und Sachsen gibt es Möglichkeiten (Verweise am Ende des Textes).

Ein Zeltplatz auf Steinen ist unbequemer, reduziert aber die Gefahr, empfindliche Vegetation zu schädigen. | Bild: Torsten Wenzler

Das richtige Verhalten im Graubereich

Nicht alles was nicht ausdrücklich verboten ist, ist im Umkehrschluss auch richtig. Unabhängig von den juristischen Rahmenbedingungen tut man gut daran, sich an die Verantwortung für Natur und Umwelt zu erinnern, bevor man sein Lager oder Biwak aufschlägt.

Kein offenes Feuer

Lagerfeuerromantik hin oder her. Nicht nur im Waldbrandjahr 2018 sollte man auf offenes Feuer in der freien Natur verzichten. Selbst wenn man keinen Brand auslöst, hinterlässt man in Form verbrannter Erde und verdichteten Bodens Spuren, die man selbst nicht rückgängig machen kann. Will man partout nicht vom Lagerfeuer lassen, sucht man sich am besten eine der in vielen Wäldern vorhandenen Schutzhütten mit Feuer- oder Grillstellen. Lebendes Holz als Brennmaterial ist absolut tabu. Im Sinne der Umwelt sollte man auch auf chemische Brandbeschleuniger verzichten und lieber lernen, wie man ein Feuer mit natürlichen Mitteln entfacht.

Vorhandene Infrastruktur nutzen

Wer Schlafsack und Isomatte in einer der angesprochenen Schutzhütten ausrollt oder ein Tarp an einen ungenutzten Waldarbeiterwagen spannt, wird in aller Regel mit einer größeren Toleranz von Förstern, Waldbesitzern oder Gebietsverantwortlichen rechnen können als derjenige, der sich mitten in eine Wildblumenwiese legt. Steiniger Untergrund eignet sich schon aus Naturschutzgründen besser für ein Biwak oder Zeltlager unterm Sternenhimmel als Bewuchs, dem möglicherweise schon die Verdichtung durch das eigene Körpergewicht schadet.

Ein Haus im Haus ist bestimmt nicht nur in Bolivien erlaubt. | Bild: Markus Micheler, Pure Biking

 

Take nothing but memories – leave nothing but footprints

Das sollte für jeden Naturaufenthalt eiserne Regel sein. Man nimmt seinen Müll und alle anderen Hinterlassenschaften mit und man entnimmt kein lebendes Material. So schön der Wildblumenstrauß als Erinnerung ist, steht er auf der Almwiese noch besser als in der heimischen Blumenvase. Kleine Einschränkung: Obst am Wegesrand pflücken, ohne die Pflanzen zu beschädigen geht natürlich klar. Gerade im Herbst wichtig: Pilze auf keinen Fall herausreißen, sondern nur den Fruchtkörper abschneiden, da sonst das Myzel beschädigt wird und der Pilz absterben kann.

How to shit in the woods?

Diesem Thema ist sogar ein ganzes Buch gewidmet. Menschliche Hinterlassenschaften bedeuten immer Nährstoffeintrag in die sonst kargen Böden. Außerdem verrottet Toilettenpapier in der Natur – anders als von vielen Menschen angenommen – nur sehr langsam. In Mitteleuropa mit seiner dichten Infrastruktur sollte man tunlichst aushalten, bis man im nächsten Ort oder der nächsten Berghütte die Toilette benutzen kann. Ist dies partout nicht möglich gilt: Kot und Toilettenpapier mindestens dreißig Zentimeter tief vergraben. Eine Schaufel gehört zur Pflichtausrüstung. Toilettenpapier so wenig wie möglich verwenden, am besten einlagiges Recyclingpapier. Felsspalten o. ä. sind nicht geeignet. Ideal ist es, das benutzte Toilettenpapier einfach wieder mitzunehmen und erst in der Zivilisation zu entsorgen – wie es z. B. in vielen US-amerikanischen Nationalparks vorgeschrieben ist. Ekel ist hier fehl am Platze.

Hütten

In der Nähe von Berghütten zu zelten, ist von deren Betreibern oft nicht gern gesehen, selbst wenn der Zeltplatz nicht auf privatem Grund liegt und auch durch sonstige Regeln das Zelten erlaubt ist. Allein aus Anstand und Freundlichkeit sollte man wenigstens kurz Bescheid sagen und vielleicht sogar überlegen, das Abendessen in der gemütlichen Hütte zu nehmen, damit auch die Betreiber auf ihre Kosten kommen.

Lügen haben kurze Beine – Ehrlichkeit zahlt sich aus

Wer im schönsten Sonnenuntergang auf einer Bergwiese im Naturschutzgebiet mit fauchendem Kocher und dampfender Pasta erwischt wird, wird zurecht Schwierigkeiten haben zu argumentieren, dass es sich um ein Notfallbiwak aus akuter Erschöpfung handelt. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit nicht ganz gering, dass einem der Förster einfach erlaubt, sein Zelt an geeigneter Stelle im Wald aufzuschlagen, wenn man ihn einfach freundlich fragt.

Der Fotograf nennt sein Werk „Home sweet home“. Dem haben wir nichts hinzuzufügen. | Bild: Ralf Gantzhorn (†)

 

Das Tausend-Sterne-Hotel II - Wildcampen und Biwakieren in Europa“ schaut auf die Rechtslage in anderen europäischen Ländern.

Quellen und zum Weiterlesen

Und warum ist uns das so wichtig? Darum! | Bild: Lars Schneider