Balkan-Bikepacking: Mit dem Gravelbike von Zagreb nach Tirana

Zusammen Fahrrad fahren, ein bisschen Sonne tanken und ein paar Abenteuer erleben – das war der Urlaubswunsch der beiden VAUDE-Kollegen und Freunde Felix Storch und Robert Klauer. Auf der Suche nach einem Ziel für eine dreiwöchige Gravelbike-Tour fiel ihre Wahl schließlich auf den Balkan.

Felix, Robert und ihre Räder. Bild: Robert Klauer

VAUDE: Ihr seid von Zagreb in Kroatien, durch Bosnien und Herzegowina und Montenegro bis nach Albanien gefahren. Wie ist die Entscheidung für diese Route gefallen?

Felix: Für uns ist das Fahrrad das optimale Reisefortbewegungsmittel. Man kommt überall hin, kann überall anhalten und kommt schnell mit Menschen in Kontakt. Robert und ich haben schon oft kleinere Radtouren zusammen gemacht, meist waren die allerdings immer nur so fünf Tage lang. Wir waren viel in den Alpen unterwegs, aber jetzt wollten wir in eine Umgebung, die wir nicht so gut kennen und somit Raum für neue Abenteuer bietet.

Berge, Wälder, Schotterstraßen. So stellt man sich ein Gravelparadies vor. Bild: Felix Storch

Robert: Wir hatten drei Wochen Zeit, und unser Traumziel sollte gut mit dem Zug erreichbar sein – fliegen war für uns keine Option. Wir haben kurz über Skandinavien nachgedacht, hatten dann aber Sorge, dass es dort im September zu kalt ist. Und weil wir es eben ein bisschen warm haben wollten, sind wir auf den Balkan, genauer gesagt den Westbalkan und diese Route gekommen. Ursprünglich hatten wir auch einen Schwenk nach Sarajevo und den Durmitor-Nationalpark geplant, aber das haben wir dann unterwegs wetter- und zeitbedingt kurzfristig abgeblasen. Wir sind stattdessen Richtung Küste geradelt, wo es direkt fast zehn Grad wärmer war.

Auch zum Bikepacken ist der Balkan umweltfreundllich per Bahn erreichbar. Bild: Robert Klauer

VAUDE: Wie habt Ihr Euch auf Eure Bikepacking-Tour vorbereitet?

Robert: Grundsätzlich sind wir beim Bikepacken recht routiniert. Wir haben uns noch einen zweiten Kocher besorgt und Tipps und Kartenmaterial von Kolleg*innen eingeholt.

Felix: Genau, es war kein Riesenaufwand, weil wir ja nicht von Null starten. Wir mussten uns eben nur darauf einstellen, dass diese Tour länger wird als unsere anderen. Wir haben abgestimmt, wer was mitnimmt und überlegt, welche Klamotten wir brauchen. Außerdem haben wir uns warme Schlafsäcke besorgt, weil es nachts schon recht kalt wird.

Kalt, steinig, Nebel – und wunderschön. Bild: Felix Storch

VAUDE: Wenn Ihr jetzt zurückblickt – was war überflüssig und hätte gut zuhause bleiben können?

Felix: Ich hatte mein Fernglas dabei. Das ist eigentlich cool, aber ich habe es dieses Mal eben leider nicht genutzt. Außerdem hatte ich eine Wäscheleine und Wäscheklammern dabei. Auch völlig überflüssig (lacht).

Robert: Bei mir waren es die zweite Fahrradhose und das zweite Trikot. Außerdem hätte es auch eine Jacke weniger sein können.

Hike & Bike auf der Müllkippe. Nur ein kurzer Stimmungsbremser. Bild: Felix Storch

VAUDE: Wie war es denn, in Kroatien endlich auf den Rädern zu sitzen?

Robert: Wir hatten ein Hostel im Zentrum von Zagreb, und es war ein geiles Gefühl, aus der Innenstadt herauszurollen, weg von der Zivilisation, hinein in die Natur. Die Sonne schien, die Route führte an einem Schotterweg an der Save entlang. Es war richtig herrlich!

Felix: Der Wechsel von Zivilisation zu Wildnis am ersten Tag vollzog sich wirklich schnell. Die ersten paar Kilometer aus Zagreb hinaus führten teilweise noch durch unschöne illegale Müllablagerungen, aber schon nach wenigen Stunden fanden wir uns in wunderschöner Natur wieder.

Home, sweet home. Bild: Robert Klauer

VAUDE: Wie und wo habt Ihr übernachtet?

Felix: Wir hatten das Ultraleichtzelt Chapel SUL XT dabei, ein Single Pitch-Zelt, das sich mit etwas Übung schnell aufbauen lässt. Damit waren wir unabhängig hinsichtlich unserer Schlafplatzwahl und richtig komfortabel unterwegs, da das Zelt viel Platz bietet. Nach zwei Tagen waren wir Aufbau-Profis und hatten es innerhalb von fünf Minuten aufgebaut.

Robert: Die erste Nacht war eine der spannendsten. Wir hatten einen relativ wilden und wunderschönen Spot in der Nähe der Save und weit weg vom nächsten Dorf gefunden. Wir haben gekocht, gegessen und saßen ganz beseelt in der Dunkelheit und genossen den Sternenhimmel. Plötzlich fingen Hunde an zu bellen und wir hörten lautes Jaulen und Heulen. Wölfe?! Wir haben uns dann ganz schnell ins Zelt verkrochen. Als ich später noch einmal raus ging, stand in der Nähe ein Mann mit einem Gewehr. „Ich bin Jäger, kein Problem!“, rief er. Ich fragte ihn nach den Wölfen, und er berichtete uns, dass es sich um Schakale handelte –„kein Problem!“. Die haben wir gegoogelt, und das sind eher kleinere Wildhunde und mit diesem Wissen konnten wir nach der Aufregung dann doch noch ganz gut schlafen.

Natur und Kultur liegen auf dem Balkan eng beieinander; Bild: Felix Storch

Felix: „Normale“ freilaufende Hunde gab es auch. Da gab es jetzt kein wirklich beängstigendes Erlebnis, aber die sind schon bis an unsere Räder herangerannt und haben uns ein paar Meter verfolgt. Sie haben nicht geschnappt, aber so toll war das trotzdem nicht.

„Bosnien-Herzegowina ist unglaublich grün.“ Bild: Felix Storch

VAUDE: Welche größere Stadt habt Ihr nach Zagreb angesteuert? Und wie ging es dann weiter?

Felix: Unser nächstes größeres Ziel war Banja Luka in Bosnien und Herzegowina. Wir sind zwei Tage durch Kroatien geradelt, entlang der Save bis an die bosnische Grenze. Immer wilder, viel mehr Natur, wunderschöne Landschaft. Bosnien und Herzegowina hat uns beiden wahnsinnig gut gefallen. Es ist hügelig, mit viel Wald, vielen Flüssen und Seen, und es ist unglaublich grün.

Willkommen im Gravelhimmel. Bild: Robert Klauer

Robert: Wir sind überall, wo wir hinkamen, sofort angesprochen worden. Meist vor den Mini-Supermärkten, an denen wir unsere Vorräte aufgestockt haben, wurden wir immer direkt gefragt, wo wir herkommen, wo wir hinwollen und wie es uns gefällt. Vor einem dieser Minimärkte haben wir einen Mann getroffen, Goran, der uns mit zu seinem Garten genommen und uns seine Weintrauben und Apfelbäume gezeigt hat. Mit denen hat er uns dann großzügig versorgt und die Früchte waren wirklich lecker. Die Gastfreundschaft, die wir überall erfahren durften, hat uns wirklich beeindruckt. Viele ältere Menschen konnten auch etwas Deutsch sprechen, da sie zum Arbeiten und/oder während des Bosnienkriegs für längere Zeit in Deutschland lebten. Einmal hat Felix aber auch perfekt Bosnisch geredet.

Felix (lacht): Ja, ich habe etwas über den Google Translator eingegeben und nicht gecheckt, dass man die Übersetzung einfach abspielen lassen kann. Ich habe sie also selbst vorgelesen und hatte dabei wohl kaum einen Akzent, weil mich alle erstaunt angesehen und echt gut verstanden habe, das war ziemlich witzig.

Bärtige Männer mit vollgepackten Räder erwecken Aufsehen. Bild: Robert Klauer

VAUDE: Ihr habt gerade das Aufstocken von Vorräten in Supermärkten angesprochen. Wie habt Ihr den kulinarischen Aspekt Eurer Tour gestaltet?

Felix: Wir sind beide vegetarisch beziehungsweise vegan unterwegs und wussten aber schon vorher, dass das in unseren Reiseländern nicht so einfach sein würde, vor allem im ländlichen Bereich. Wir haben beschlossen, dann halt auch mal Cevapcici zu essen, denn wir wollten auch nicht jeden Tag selbst kochen und waren abends auch mal ein Wein oder Bier trinken.

Robert: Es gab aber auch diese Teigtaschen, Burek, gefüllt mit Käse, Spinat oder Tomaten. Sehr lecker! Das waren unsere vegetarischen Hauptnahrungsmittel, aber zum Schluss hatten wir die ein bisschen über, weil wir uns die wirklich ständig geholt haben. Ansonsten hatten wir Porridge und Pasta dabei, die wir mit frischen Früchten und Gemüse verfeinert haben.

Felix: Und ungefähr ab Mostar, im Süden von Bosnien und Herzegowina, sieht man überall Granatapfelsträucher und -bäume. Die wilden an den Sträuchern habe ich probiert, die waren furchtbar sauer, aber die großen Früchte und auch der Saft schmecken wirklich fantastisch.

Regionales Obst zur Stärkung - ein Genuss! Bild: Felix Storch

VAUDE: Was waren Eure Höhepunkte der Bikepacking-Tour?

Felix: Es gab so viele Highlights. Mir hat Bosnien und Herzegowina einfach unfassbar gut gefallen, besonders der Canyon zwischen Banja Luka und Jajce. An den Seiten ragen schroffe Felswände in den Himmel, umrahmt von bewaldeten Hügeln und in der Mitte windet sich unten der Vrbas. Durch diesen Canyon konnten wir zirka 60 Kilometer auf einer wenig befahrenen Straße entlangrollen. Traumhaft!

Robert: Eines meiner Highlights war der Skutarisee, der Grenzsee zwischen Montenegro und Albanien. Dort verläuft auch ein Teil der Euro-Velo 8 (Mittelmeer-Route). Es ging immer bergauf und bergab und wir haben an dem Tag bestimmt 1500 Höhenmeter gemacht. Der Weg schlängelte sich am grünen, hügeligen Ufer entlang und zwischendurch hatten wir immer wieder das Gefühl, auf das Meer, anstatt auf einen See zu blicken.

Immer wieder eröffnen sich beeindruckende Ausblicke auf die Adria. Bild: Felix Storch

VAUDE: Wie hat es sich angefühlt, nach so viel Landschaft und Weite schließlich in Tirana anzukommen?

Felix: In Albanien war sofort auffällig, dass das Fahrrad eine größere Rolle spielt. Das Stadtbild war lebhaft, bunt und studentisch, der Verkehr auf den Hauptstraßen wirkte auf uns recht entspannt. Fahrräder waren Teil des Stadtbildes, und im Gegensatz zu den anderen Ländern, die wir durchquert haben, gab es sogar baulich getrennte Radwege. Auch kulturell machte Tirana einen sehr spannenden Eindruck auf uns – gerade fand beispielsweise das Tirana International Film Festival statt. Ich wäre gern noch etwas länger geblieben und weiter auf Erkundungstour gegangen.

VAUDE: Hattet Ihr einen festen Zeitplan?

Felix: Wir haben nach zwei, drei Tagen auch mal Pause gemacht, wir sind nicht durchgefahren. Bosnien und Herzegowina hat uns so gut gefallen, dass wir uns für das Land Zeit genommen haben. Wir haben uns zum Beispiel ein Kletterfestival bei Banja Luka angeschaut, haben zwei Tage in einem Yoga-Retreat verbracht und in Jajce und Mostar Kultur getankt. Wir hatten dann zwar etwas weniger Zeit in Montenegro und Albanien, aber wir wollten uns nicht stressen.

Robert: Nein, wir hatten lediglich die Fähre von Durrës nach Ancona bereits vorher gebucht. Die einzige Vorgabe war also, an diesem Tag in Tirana beziehungsweise Durrës zu sein. Für mich war es wichtig, dass wir unseren Rhythmus  finden und den Moment wahrnehmen können. Nicht zu sagen „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“. Also dass man beispielsweise mal Radreisender und mal Teilnehmer in einem Yoga-Retreat ist. Auf dem Fahrrad unterwegs zu sein, eröffnet viele Möglichkeiten. Jeden Tag können wir neu entscheiden, was und wo wir heute sein möchten. Und im Hier und Jetzt zu sein, das zu genießen, das ist uns gut gelungen.

VAUDE: Danke für das Gespräch!

Zurück geht’s über das Mittelmeer. Bild: Robert Klauer